Das Interview führte unser Autor im Rahmen einer großen Schalke-Reportage, die im neu erschienenen Bundesliga-Sonderheft zu lesen ist. Das Heft findet ihr bei uns im Shop. Die Reportage selbst gibt es bei uns im 11FREUNDE CLUB.

Rouven Schröder, wie hat sich der FC Schalke 04 seit Ihrer Amtsübernahme als Sportdirektor im Mai 2021 verändert?
Gar nicht so stark, wie Sie vielleicht denken. Es ist immer noch ein Fußballverein, dessen Innenleben durch besondere Charaktere ausgefüllt wird, die erfolgreich arbeiten wollen. Aber natürlich ist klar, dass wir einen Strich unter die vergangene Saison ziehen mussten und darüber nachdenken, wie es weitergeht.
Der Etat für die Profis wurde von zuletzt 80 Millionen Euro auf 22 Millionen reduziert. Klingt nach einer Herkulesaufgabe für Sie als Sportdirektor.
Unabhängig von den genannten Zahlen – wir arbeiten jeden Tag daran, die „Altlasten“ abzubauen. Wenn’s nach mir ginge, könnte das noch schneller gehen, aber das Transfergeschäft ist coronabedingt noch nicht so in Schwung, wie wir es uns erhoffen. Ich führe jedenfalls derzeit viele Gespräche mit Spielern und deren Umfeld, die nicht nur angenehm sind.
Weil viele gut dotierte Erstligaverträge auch in der zweiten Liga ihre Gültigkeit behalten. Von hochbezahlten Stars wie Sebastian Rudy, Mark Uth oder Suad Serdar haben Sie sich bereits getrennt und die Spieler bei anderen Klubs untergebracht. Wie argumentieren Sie in diesen Gesprächen, wenn es um die Auflösung von Verträgen geht?
Ich versuche, mit meinem Gegenüber eine Ebene zu finden, sodass er merkt, dass es mir nicht nur um mich und den Verein geht, sondern ich auch seine Lage verstehe. Dass ich ihm keinen Vorwurf mache, wenn er beispielsweise kämpft, um sein letztes Vertragsjahr optimal zu gestalten.
Welche Faktoren berücksichtigen Sie in Ihrer Sicht auf den Spieler?
Wenn eine Personalie und mit ihr verbundene Dinge öffentlich bewertet werden und dies beispielsweise Einfluss auf die Familie hat, spielt auch das in die Gesamtbewertung mit ein. Das muss ich alles berücksichtigen, um eine Ebene zu finden. Aber auch der Spieler muss verstehen, dass wir hier bestimmte Dinge, die in der Vergangenheit noch galten, nicht mehr abbilden können. Und dann muss es ebenso legitim sein, zu erwähnen, dass zuletzt das Preisleistungsverhältnis bei ihm nicht ganz gestimmt hat.
Sie waren in Ihrer Jugend ein begabter Tennisspieler. Tennis ist wie Fußball ein Spiel, das im hohen Maße im Kopf gewonnen wird. Kommt Ihnen das in den Gesprächen zugute?
Bei der Gesprächsführung spielt Psychologie zweifellos eine wichtige Rolle.
Gibt es auch Spieler, die in Vertragsgesprächen aufspringen und brüllen: „Kannste vergessen!“.
Emotionen müssen sein, sind auch wichtig, aber nicht die ganze Zeit. Natürlich gibt es Momente, in denen einer auf die Barrikaden geht. Aber man muss es irgendwann wieder auf ein Normalmaß runterbringen. Wenn es hart auf hart geht, gibt es nur Verlierer.
Und nie verlässt einer wütend den Raum?
Bis jetzt noch nicht, aber natürlich bringen einige klar zum Ausdruck, dass sie sich die Zeit auf Schalke ganz anders vorgestellt hatten. Das gilt andersherum auch für den Verein.
Schalke 04 steht vor einem Kraftakt. Um den Absteiger zu konsolidieren, muss Sportdirektor Rouven Schröder teure Spieler loswerden, Leistungsträger billig einkaufen und nebenbei ein neues Wir-Gefühl im Klub schüren. Bekommt er das auf die Reihe?
„Es ist quasi ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, in der es immer nur mehr Schwarz oder Weiß gibt“
In der Abstiegssaison drängte sich der Eindruck auf, dass es Schalke nicht nur an Mut und Überzeugung fehlte, sondern auch an der passenden Hierarchie im Team. Worauf achten Sie bei der Verpflichtung neuer Spieler?
Wir müssen jetzt schnell in der Zweiten Liga ankommen. Wie geht das am besten? Mit erfahrenen Spielern, die die Stadien kennen, bei Rückstand gegen einen Außenseiter die Nerven behalten und auch sonst in der Lage sind, Dinge rational zu bewerten. Spieler, die gleichzeitig die Mentalität und die Qualität für diese Liga besitzen. Wir wollen wieder eine Verlässlichkeit im Gesamtbild der Gruppe, denn uns ist klar, dass wir nur dann im Verbund mit den Fans wieder eine Durchschlagsfähigkeit entwickeln. Spieler wie Simon Terodde oder Danny Latza war in den Gesprächen deutlich anzumerken, wie wichtig es ihnen ist, für Schalke zu spielen und dabei zu helfen, dass dieser Klub wieder für gewisse Werte steht.
Und so klappt es auch mit dem Wiederaufstieg?
Garantien gibt es im Profi-Fußball nicht. Fußball ist ein Ergebnissport, in dem von Wochenende zu Wochenende neu abgerechnet wird. Und ich muss Ihnen nicht auflisten, wie viele Mannschaften das Bestreben haben, oben mitspielen zu wollen.
Wir haben für die Bundesliga-Sonderausgabe von 11FREUNDE (erschienen am 22. Juli 2021) ein Interview mit HSV-Sportchef Jonas Boldt, Klaus Allofs von Fortuna Düsseldorf und Werder-Geschäftsführer Frank Baumann geführt. Die Herren waren sich einig: Topfavorit in der Zweitligasaison 2021/22 ist der FC Schalke 04.
(Lacht.) Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Den Ball spiele ich gerne zurück. Wir sind ambitioniert, den Rest bestimmen das Umfeld und die Gegner, die uns vorab eine Krone aufsetzen und dann versuchen, uns aus dem Stadion zu schießen.
Mit anderen Worten: Der Wiederaufstieg ist so schwer wie nie zuvor?
Was auch daran liegt, dass wir uns in einem hochemotionalen Spannungsfeld bewegen. Wenn wir von Entwicklung im Profifußball sprechen, müssen wir das Wort Entwicklung zuerst einmal definieren und bewerten. Es gibt doch immer nur mehr die Abrechnung. Nach jedem Spieltag. Schlagzeilen können einen treiben und auf das Geschehen Einfluss nehmen. Entweder du befindest dich im Kampf gegen den Abstieg oder um den Aufstieg. Das ruhige Mittelfeld gibt es nicht mehr. Es ist quasi ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, in der es immer nur mehr Schwarz oder Weiß gibt. Gerade deshalb sind wir angehalten, dass das Innenleben unseres Vereins darauf vorbereitet ist, stabil und intakt zu sein. Auch das Thema Druckresistenz darf nicht unterschätzt werden.
Auch deshalb ist das Gros der Schalker Neuverpflichtungen um die dreißig und kennt, wie etwa Terodde, Latza, Bülter und Kaminski, die zweite Liga und das Gefühl, sich im Aufstiegskampf zu befinden?
Wenn wir als Letzter am Sonntag spielen, kann es sein, dass wir vor Anpfiff auf Platz 14 sind, aber durch einen Sieg Sechster wären. Und deshalb haben wir Spieler gesucht, die das Rüstzeug haben, diese Dinge richtig zu bewerten.
„Wir wollen nicht mehr das Schalke mit der großen Schnute sein, gehen die Sache mit Demut und Respekt an. Es geht hier um Arbeiten und Abliefern”
Ihnen ist das Kunststück gelungen, dass Transfers, die sonst in Schalke oft schon im Vorfeld über die Medien ruchbar wurden, plötzlich geheim bleiben und erst mit der offiziellen Vorstellung durch den Klub an die Öffentlichkeit dringen. Wie haben Sie so schnell die chronische Schalker Indiskretion ausgemerzt?
Mir geht es darum, dass die Leute bei uns verstehen, dass alle Zweitligisten im selben Becken fischen. Das heißt, alles was vorzeitig rauskommt, ist für uns beschwerlicher. Ich habe das Gefühl, dass alle Beteiligten hier sich nach mehr Vertraulichkeit sehnen und wissen, dass Verschwiegenheit auf unserem Weg ein ganz wichtiges Gut ist. Und deshalb muss man wissen, wie groß oder klein man einen Kreis von Eingeweihten hält. Kurz gesagt: Wir haben einen recht engen Kreis gewählt.
Frage an den ehemaligen Tennisspieler: Sind Sie auch in der Arbeit als Manager eher Individualist?
In gewissen Maßen sicher, aber ich bin deutlich mehr Teamplayer.
Sie waren auf dem Weg zum Tennisprofi und wurden dann doch Fußballer, spielten u.a. für den VfL Bochum und MSV Duisburg. Wieso haben Sie es mit dem Tennis nicht durchgezogen?
Tennis war meine Hauptleidenschaft. Mein Vater meinte aber, dass es gut sei, wenn ich eine Mannschaftssportart dazu nehme, damit ich ein Gefühl für die Gemeinschaft bekomme und merke, wie ich mit meinem Tun eine Gruppe positiv oder negativ beeinflusse. Ein Tennisspieler ist nur sich selbst verantwortlich. Spielt er schlecht, verliert er. Aber in einem Team lernt man, dass man, wenn man selbst einen schlechten Tag erwischt, trotzdem gewinnen kann und umgekehrt. Und diese Erkenntnis hat mich geprägt
Rouven Schröder, Sie wollen gemeinsam mit Sportchef Peter Knäbel dem FC Schalke 04 eine neue Philosophie geben. Können Sie in einem Satz sagen, was der Kern dieses neuen Schalker Wegs beim Neustart in der zweiten Liga ist?
Wir wollen nicht mehr das Schalke mit der großen Schnute sein, gehen die Sache mit Demut und Respekt an. Es geht hier um Arbeiten und Abliefern. Das müssen wir leben und nicht nur immer darüber reden. Das sind die Parameter, an denen wir uns gerne bewerten lassen.
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