
Der FC St. Pauli muss sich derzeit fühlen wie ein Dacia unter Trabis. Die braun-weiße Vollgas-Fraktion gewann auch ihr drittes Spiel des Jahres und eroberte die Tabellenspitze in der MSV-Arena zu Duisburg.
Das 2:0 bei den Zebras war der nächste wütende Anlauf mit dem Rammbock gegen das Tor zu Liga 1, dessen Zarge sich immer mehr zu lockern scheint. Der MSV musste im Spitzenspiel, das seinem Ruf zweifellos folgte, froh sein, nicht schon zur Pause dreistellig zurückzuliegen. Besonders die rechte Duisburger Abwehrseite war verlassen wie eine kalifornische Goldgräberstadt, und das Team durfte sich beim glänzend aufgelegten Keeper Tom Starke bedanken, dass es keine weiteren Ohrfeigen für die Heimelf setzte. Coach Milan Sasic mochte gar nicht mehr hinsehen, versteckte sein Antlitz hinter den Händen und quälte sich wohl mit dem Zitat seines Vorgängers »Zar« Peter Neururer im Kopf, der Pauli im Vorfeld der Partie als stärkstes Team der Liga bezeichnet hatte.
Die Paulianer bestätigten das über weite Strecken – und zelebrierten sich selbst. Allen voran Marius Ebbers, der an alter Wirkungsstätte das 1:0 markierte und beim Jubel humpelnd auf den verletzt draußen sitzenden Mitspieler Fabian Boll zulief. »Das war abgesprochen, aber meistens vergesse ich sowas«, gestand Sympath Ebbers im Sky-Interview nach der Partie. Diesmal ließ ihn sein Gedächtnis aber genauso wenig im Stich wie sein Torriecher – zwölf Mal netzte »Ebbe« in dieser Saison schon ein.
Ahlener Restrasen
Ebbe-artige Zustände herrschten auch im Ahlener Wersestadion: Der matschige Untergrund lud eher zu einer gemütlichen Watt-Wanderung als zum Fußball spielen ein. Dennoch: Im Gegensatz zu den Grünflächen in Rostock und Karlsruhe, wo die Partien jeweils ausfielen, musste der Ahlener Restrasen 90 Minuten Ballsport über sich ergehen lassen. Und der war den Umständen entsprechend halbwegs ordentlich. Es fiel sogar ein Tor! Das ist auch deshalb erwähnenswert, weil die Ahlener zuvor erst dreimal daheim getroffen hatten. Der entscheidende Einschuss fürs Münsterländer Schlusslicht gegen Oberhausen gelang Neuzugang Momar N’Diaye nach dem Eckball eines weiteren Neuen. Und dieser trägt den wohl sachgerechtesten Namen für einen Fußballer seit Günter Netzer und Dirk Bremser: Junior Ollé Ollé!
Wenig zu jubeln hatten die Oberhausener Fans, insbesondere die Mitglieder, schon im Vorfeld der Schmach an der Werse gehabt. Der Klub sorgte für miese Stimmung, da das neue Verwaltungssystem allen RWO-Mitgliedern die gesamten Jahresbeiträge von den Konten abbuchte – auch bei denen, die eigentlich nur quartalsweise zahlen wollten. Eine Sauerei, wie der Anhang zu Recht fand. Nach wüsten Beschimpfungen im Online-Forum nahm der Verein selbiges sogar bis zum Anpfiff in Ahlen vom Netz. Vielleicht nicht gerade die beste Werbung für die Kampagne»„Wir geben alles«, mit der die Rheinländer schnellstmöglich eine Mitgliederzahl von 1904 – dem Gründungsjahr – erreichen wollen…
Alles geben, das wollten auch die Cottbuser bei ihrem Auswärtsauftritt in Fürth. Dieses Vorhaben setzten sie zwar in die Tat um und boten den aufstrebenden Franken lange Paroli. Doch statt der Trendwende gab es, wie schon in der Vorwoche gegen Duisburg, die späte Ernüchterung. Fürths Christopher Nöthe donnerte das Spielgerät in letzter Sekunde traumhaft ins Gehäuse von Gerhard Tremmel. Wahnsinn!
Doch die Zuschauer kamen nicht nur beim Verfolgen der sehenswerten Partie, sondern auch beim Beobachten der beiden Übungsleiter auf ihre Kosten: Die beiden Heißsporne Pelé Wollitz und Mike Büskens lieferten sich über 90 Minuten packende Zweikämpfe im Angespannt-Hüpfen, Verzweifelt-Haareraufen und Hilflos-Zucken bei den beiderseits zahlreich ausgelassenen Großchancen.
Ein Satz kalte Ohren
Nur zuschauen durfte im übrigen auch Energie-Mittelfeldmann Stanislav Angelov. Der hatte sich vergangenen Montag gegen den MSV eine der wohl spektakulärsten Verletzungen der Bundesliga-Geschichte zugezogen: Eine »schmerzhafte Unterkühlung am Ohr«, wie es offiziell hieß, setzte den Bulgaren außer Gefecht.
Beinahe im Gefechtszustand befanden sich am Sonntagnachmittag mehrere Polizeieinheiten in Baden-Württemberg. Der Grund: Die Partie des Karlsruher SC gegen 1860 München war erst gut zwei Stunden vor dem geplanten Anstoß abgesagt worden, weil der Tribünenbereich im Wildpark zum Teil vereist und das Betreten somit offenbar verdammt gefährlich war. Einige der rund 3000 angereisten Sechzig-Fans vergrellte die Absage dermaßen, dass sie sich weigerten, den Stadionbereich wieder zu verlassen. Im Stuttgarter Hauptbahnhof sahen sich Beamte angeblich sogar gezwungen, ihre Knüppel gegen die Hooligans einzusetzen.
Ohne Knüppel kam der FC Augsburg im Duell gegen Bielefeld aus. Die Fuggerstädter hatten schließlich in Michael Thurk die aktuell gefährlichste Waffe der Liga im Halfter. Der Mann der Stunde arbeitete sich mit seinen zwei Treffern rauf zur zur 100-prozentigen Torquote – 19 Buden in 19 Spielen. Dabei ließ er Bielefelds Dritt-Torwart Niklas Hartmann eine ordentliche Brise Zweitliga-Luft schmecken. Der arme Tropf, der nach Rouwen Fernandez‘ Verletzung in der 13. Minute seinen ersten Profi-Einsatz erlebte, musste sich gleich zweimal vom kaltschnäuzigen Thurk düpieren lassen. Arminen-Trainer Gerstner forderte anschließend unumwunden: »Thurk muss mit zur WM!«
ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWeapLSqedKcn5qtXaOupLSMmqygq5Kqv6h7knFwbHFk