Kante mit Ecken 11FREUNDE

November 2024 · 4 minute read

Vor einem Monat traf sich der Sport­jour­na­list Robert Knajz für einen Fern­seh­bei­trag auf HTV1 mit Josko Gvar­diol, dem neuen kroa­ti­schen Hoff­nungs­träger in der Innen­ver­tei­di­gung. Ange­spro­chen auf den besten Stürmer, den der 20-Jäh­rige in seiner noch jungen Kar­riere ver­tei­digen musste, ver­wies Gvar­diol auf sein Län­der­spiel­debüt gegen Bel­gien im Juni 2021. Die Mann­de­ckung von Romelu Lukaku erwies sich offenbar als derart unan­ge­nehme Auf­gabe, dass Gvar­diol sich zu einer son­der­baren Asso­zia­tion ver­an­lasst sah. Lukakus Kör­perbau, so Gvar­diol, sei mit einem drei­tü­rigen Klei­der­schrank“ zu ver­glei­chen. Eine Beschrei­bung, die ein­ein­halb Jahre später annä­hernd ihn selbst beschreiben könnte. Mitt­ler­weile wirkt die Prä­senz von Kroa­tiens Mas­ken­mann auf dem Platz ähn­lich furcht­ein­flö­ßend wie die von seinem bel­gi­schen Gegen­spieler.

Am ver­gan­genen Don­nerstag trafen die zwei nun erneut auf­ein­ander, dieses Mal beim ent­schei­denen Grup­pen­spiel einer Welt­meis­ter­schaft. Bel­gien fehlte zum Wei­ter­kommen ein Tor, als Borna Sosa in der 92. Minute eine Flanke direkt in den Lauf von Romelu Lukaku klärte. Weil sich Gvar­diol hand­lungs­schnell zwi­schen Ball und Stürmer schmiss und die Situa­tion in höchster Not mit aus­ge­strecktem Bein klärte, schei­terte Lukaku dieses Mal nicht erneut an seinem eigenen Unver­mögen, son­dern am kroa­ti­schen Innen­ver­tei­diger. Bel­gien blieb torlos, Kroa­tien hin­gegen zog ins Ach­tel­fi­nale ein. Auf der Pres­se­kon­fe­renz nach dem Spiel wollte Kroa­tiens Trainer Zlatko Dalic die Leis­tung eines Spie­lers geson­dert her­vor­heben und geriet ins Schwärmen: Josko ist der beste Innen­ver­tei­diger der Welt. So reif zu spielen, das ist unglaub­lich.“

Aty­pi­sche Zahlen für einen Innen­ver­teidger

Obwohl die These manch einem etwas zu hoch­ge­griffen erscheinen mag, hat der junge Kroate zwei­fels­ohne das Poten­zial, in den nächsten Jahren zum besten Spieler auf seiner Posi­tion her­an­zu­wachsen. ZDF-Experte Chris­toph Kramer lie­ferte unlängst seine ganz per­sön­liche Ein­ord­nung zu den Leis­tungen des Kroaten, indem er Gvar­diol als den poly­va­len­testen Ver­tei­diger der Welt“ beti­telte. Soll bedeuten: Keiner ist in der Abwehr­reihe so fle­xibel ein­setzbar wie der 20-Jäh­rige. Vor allem in der Kom­bi­na­tion mit einem robusten und erfah­renen Innen­ver­tei­diger an seiner Seite scheint Gvar­diol seine Stärken beson­ders gut aus­spielen zu können. Das zeigen seine Sta­tis­tiken in der Bun­des­liga, wenn er mit Willi Orban das Innen­ver­tei­diger-Duo bei RB Leipzig bildet, und nun auch seine Leis­tungen bei der Welt­meis­ter­schaft an der Seite von Dejan Lovren.

Laut FBref“ gehört Gvar­diol mit 7,17 Bal­ler­obe­rungen pro 90 Minuten in den letzten 365 Tagen zu den besten 13 Pro­zent auf seiner Posi­tion in Europas Top-Fünf-Ligen. Gemessen an seinem Alter ver­fügt Gvar­diol bereits jetzt über ein über­durch­schnitt­lich gutes Stel­lungs­spiel, sei es bei Flanken oder in der Eins-gegen-eins-Ver­tei­di­gung. Seine High­light-Videos sind gefüllt mit Situa­tionen, bei denen er schon bei der Ball­an­nahme des Stür­mers an dessen Rücken klebt und ihm kurz darauf den Ball vom Fuß spit­zelt. Außerdem hilft ihm seine bul­lige Statur im Zwei­kampf. Mit 6,81 Pässen pro Spiel in das letzte Drittel der geg­ne­ri­schen Hälfte kann Gvar­diol bes­sere Zahlen vor­weisen als 98 Pro­zent der Innen­ver­tei­diger. Dabei gehören auch punkt­ge­naue Dia­gonal-Bälle über das halbe Feld zu seinem Reper­toire. Die Sta­tis­tiken zeigen aller­dings auch, dass das Spiel des Kroaten noch einige Ecken und Kanten hat: Gvar­diol gewinnt bei dieser WM nur 0,35 Kopf­ball­du­elle pro Spiel. Damit gehört er zu den schwächsten vier Pro­zent in dieser Kate­gorie. Was zudem in der Bun­des­liga auf­fällt: Der Innen­ver­tei­diger lässt sich häufig zu Offensiv-Aus­flügen hin­reißen, womit er bei Ball­ver­lust für große Lücken in der eigenen Defen­sive sorgt.

Erfolg mit der Natio­nal­mann­schaft steht über allem

Bei der Welt­meis­ter­schaft kann sich Trainer Zlatko Dalic aller­dings auf die Dis­zi­plin seiner Hin­ter­mann­schaft ver­lassen. Die Kroaten kas­sierten nach 510 Tur­nier-Minuten erst drei Gegen­tore. Sogar die bra­si­lia­ni­sche Star-Offen­sive ver­zwei­felte bei der Vier­tel­final-Nie­der­lage ein ums andere Mal am kroa­ti­schen Abwehr­ver­bund. Wel­chen Stel­len­wert die inter­na­tio­nalen Erfolge für Josko Gvar­diol haben, wurde im Inter­view mit HTV1 vor dem Tur­nier deut­lich: Auf die Frage nach dem besten Moment seiner Kar­riere ant­wor­tete der 20-jäh­rige mit seinem Län­der­spiel-Debüt, nicht etwa mit dem Gewinn des DFB-Pokals. Fest steht: Durch seine Leis­tungen bei der WM dürfte Gvar­diol bei sämt­li­chen Top-Teams aus Europa für einen mög­li­chen Sommer-Transfer ganz oben auf der Liste stehen.

Heute wartet im Halb­fi­nale mit Argen­ti­nien das nächste süd­ame­ri­ka­ni­sche Schwer­ge­wicht auf die Kroaten. Dann dürfen sich Lionel Messi und seine Mann­schafts­kol­legen am Abwehr­boll­werk um Josko Gvar­diol ver­su­chen. Mit einem Sieg könnte Kroa­tien nach 2018 erneut ein Finale bei einer Welt­meis­ter­schaft errei­chen. Wie auch immer das Spiel und damit das Tur­nier für die Argen­ti­nier endet: Josko Gvar­diol wir einiges zu erzählen haben.

ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWeXq66zsMioo2hvZWeAcXyT